Die Morgendämmerung legt einen mystischen Mantel über das Wasser und unser Boot, die Welt scheint noch zu schlafen. Nur wir gleiten fast lautlos auf dem Fluss, stehen wartend im Neoprenanzug an Deck und halten Ausschau. Nur eine Frage hängt in der Luft: Wo sind sie denn jetzt?
Im Juni 2014 begaben wir uns auf die Reise von den Florida Keys nach Crystal River, einzig und allein um die Manatees zu besuchen und mit ihnen Apnoetauchen zu können. Der Crystal River ist der einzige Ort in ganz Florida, an dem es noch erlaubt ist, mit den Manatees zu tauchen, da sie als gefährdet gelten und vom Aussterben bedroht sind. Der Sunshine State legt sehr großen Wert auf den Erhalt dieser sanften Riesen und hat unter anderem eigens für sie ein Tierschutzgebiet angelegt.
Groß, mächtig und kraftvoll – aber atemberaubend schön. Manatees, auch Rundschwanzseekühe genannt, sind eine der beeindruckendsten Tierarten, die diese Welt zu bieten hat.
Fast lautlos gleiten sie, trotz ihres massiven Gewichts, durch die Gewässer und lassen sich von der Sonne und den Wellen Muster auf ihre raue, weiche Haut zeichnen (sie kann bis zu 5cm dick werden!). Die sanften Riesen lassen sich im Wasser treiben, Stress prallt an ihnen ab, sie bestehen aus vollkommener Ruhe.
Der Juni ist nicht die perfekte Jahreszeit, da im Sommer verhältnismäßig wenige der beeindruckenden Tiere in der Kings Bay verweilen. Die Gewässer fernab der 28 heißen Quellen, die den Crystal River speisen, sind um diese Jahreszeit warm genug, um ihnen einen angenehmen Aufenthalt zu bereiten und genügend Nahrung zu bieten. Trotz ihrer dicken Haut wird den Tieren nämlich sehr schnell kalt. Im Winter dagegen tummeln sie sich zu Hunderten in der Kings Bay.Trotzdem wollten wir es nicht unversucht lassen, ganz nach dem Motto. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“
Je früher man unterwegs ist, desto besser ist die Sicht und desto weniger Menschen sind schon unterwegs. Also begaben wir uns zu einer unmenschlich frühen Zeit auf den Weg zu dem Boot, dass uns zu ihnen bringen sollte. Der Captain begrüßte uns gut gelaunt und wir fuhren mit seinem Boot los auf den Fluss.
Alles sah ruhig aus- die Menschen, die Häuser am Ufer und sogar das Wasser schienen noch zu schlafen. Wir verhielten uns still, um keine Manatees zu erschrecken. Nach einer Weile hielten wir in der Mitte des Flusses und warteten. Es dauerte nur wenige Minuten, bis sich an der Wasseroberfläche einer der typischen „Swirls“ zeigte, die die Seekühe beim Tauchen hinterlassen. Wir durften ins Wasser, sollten uns aber weiterhin ruhig verhalten.
Rundschwanzseekühe bewegen sich so langsam, dass sich Algen auf ihrer borstenartigen Haut bilden und dort festwachsen. Es besteht keinerlei Gefahr, dass sie bei einer schnellen oder ruckartigen Bewegung abgerissen werden. Aber das wahrhaft faszinierende an diesen liebenswürdigen Giganten ist, dass sie unglaublich scheu und zurückhaltend sind, aber gleichzeitig auch verdammt neugierig. Wir brauchten also nicht lange zu warten, bis wir unter Wasser eine Gruppe von vier Manatees tauchen sahen. Sie näherten sich uns langsam und vorsichtig – und wir hielten still.
Je weniger du dich bewegst, desto interessanter wirst du für sie. Aufgrund ihrer schlechten Augen kommen sie sehr nah an dich heran und versuchen mit ihrer Schnauze herauszufinden, ob du essbar bist.
Als sie sich direkt unter uns befanden, tauchten wir ab – und waren in einer anderen Welt. Die Ruhe des Flusses und der Tiere übertrug sich sofort. Alles schien in Zeitlupe zu geschehen, die Welt sich langsamer zu drehen. Hast du schon einmal etwas gesehen, dass dir den Atem nimmt und dir gleichzeitig Angst macht?
Die riesigen Tiere, die an dir vorbeigleiten, auf der Suche nach Nahrung mit ihren (ein bisschen unbeholfen wirkenden) kleinen Flossen und der Schnauze am Boden wühlen. Das Konzept der Stille, aus dem sie niemand bringen kann. Ihre tonnenschweren Körper, die keineswegs bedrohlich wirken, sondern eher niedlich…
Manatees tauchen alle drei bis vier Minuten auf, um Luft zu holen. Tatsächlich die Luft anhalten können sie aber bis zu 20 Minuten!Auf der Suche nach Essen bewegten sie sich vorwärts, uns gleichzeitig begutachtend und ignorierend. Wir tauchten neben ihnen, entspannt, ruhig, fasziniert – und fühlten uns wie einer von ihnen.
Nach einer Weile schwammen sie weiter, und wir tauchten in die „Three Sisters Springs“. Dort begegneten wir bei perfekter Sicht einer Schildkröte und vielen kleinen und großen Fischies. In dieser kleinen Quelle schien das Paradies beschlossen zu haben auf die Erde zu kommen.
Nachdem wir dann noch einmal mit den großen Süß-und Salzwasser-Bewohnern tauchen waren, spürten wir erst, wie erschöpft wir waren. Das ungewohnt langsame Bewegen unter Wasser, der entspannte Start in den Morgen, das anstrengende Apnoetauchen und die vielen, vielen faszinierenden Eindrücke… All das hatte dazu beigetragen, dass wir uns müde (und glücklich!) fühlten.
Wenn du also mit den Manatees schwimmen möchtest (und das ist dir nur ans Herz zu legen) solltest du dich einstellen auf frühes Aufstehen, faszinierende Eindrücke, viel Liebe von den Manatees… und einen Mittagsschlaf.
Die sanften Riesen sind ein Wunder der Natur und jeder Mensch sollte sie einmal gesehen haben, vor allem Apnoetaucher. Ihre Ruhe und Gelassenheit gegenüber allem sind wirklich ansteckend!
Infobox: Tauchen mit Manatees
Wo? | Crystal River, Florida |
Wann? | November bis April |
Wie? | Per Tour oder auf eigene Faust mit dem Kajak |
Wie warm ist das Wasser? | Durchgehend 22°C |
Was muss ich mitbringen? | BadesachenHandtuchNeoprenanzug (wird aber auch gestellt von den Anbietern)MaskeWasserGoPro o.Ä.Geduld und Freude am Tauchen |